Interview-Reihe mit Bürgern aus Rottweil zum Thema Rassismuserfahrungen

Anlässlich der internationalen Woche gegen Rassismus haben verschiedene MitbürerInnen mit Migrationshintergrund mit der Fachstelle Integration über ihre subjektiven Erfahrungen hier in der Stadt Rottweil gesprochen. Zum Schutz der einzelnen Personen werden die Interviews anonym veröffentlicht. Der Fachstelle Integration sind die Interviewten jedoch bekannt, bei Fragen oder Anregungen kann diese daher jederzeit stellvertretend kontaktiert werden.

Interview 1 mit einer Bürgerin aus Rottweil mit kosovarischen Wurzeln:

Was verstehst du genau unter Rassismus oder was war und ist für dich „rassistisch“?

Also Rassismus für mich ist ein Hass oder eine Abneigung auf eine andere Kultur oder andere Religion oder Ethnie, Sprache, was auch immer und dass man, ich sag jetzt mal „uns“, nie gleichstellt. Das ist für mich Rassismus.

Okay und das hast du hier tatsächlich öfter auch schon erfahren, wie ich herausgehört hab? Du hast jetzt speziell gesagt, dass es für dich im Vordergrund steht bei dem Thema Wohnungssuche und da sehr häufig vorgekommen ist, magst du da mal berichten, was du da erlebt hast?

Also wir suchen ja jetzt eine Wohnung, schon fast zwei Jahre und da habe ich erst einmal angefangen, mit Anzeigen im Internet, überall wo es nur ging, und da hat es schon angefangen da kamen rassistische Rückmeldungen […].

Was kamen da so für Rückmeldungen, hast du Beispiele?

Ja also ich habe jetzt hier mal ein paar Screenshots, die hatte ich auch mal veröffentlicht. Da hatte ich eben diese Anzeige hochgeladen, zur Wohnungssuche halt, da hatte ich eben beschrieben, wie unsere Familie so ist, und dann kam so eine Reaktion:

„Großfamilie???? Kriege ich schnell rein, aber ganz schwer wieder raus.“

„Wie meinen Sie das?“

„So wie ich das sage.“

Dann gab es auch noch so eine Rückmeldung:

„Hallo. Wurde die Miete immer von Ihnen selber bezahlt, oder vom Sozialamt? Es ist nicht die Pandemie, sondern die vielen Personen.“

„Hallo, die Miete wurde stets von uns selber bezahlt.“

„-.-„

Und dann nichts mehr, keine Reaktion?

Genau, das waren jetzt zwei Beispiele und dann gab es auch immer so Anzeigen, wo drinstand, was die Eigentümer über uns wissen wollen und da war immer ein Punkt aufgezählt: „Staatsangehörigkeit“. Und wenn ich dann eben geschrieben habe, wir sind kosovarisch, wurde darauf gar nicht eingegangen, wir kamen da gar nicht erst in den Lostopf.

Also ich möchte es gerne noch einmal hervorheben, du hattest mir vorhin erzählt, das ist zwar eure Nationalität, aber du bist hier in Deutschland aufgewachsen, richtig?

Ich bin im Kosovo geboren und dann ist der Bürgerkrieg ausgebrochen und mit ein paar Monaten war ich dann in Rottweil.

Aber man kann sagen, du bist hier eigentlich fast dein ganzes Leben lang aufgewachsen, wie eine Deutsche, es ist eigentlich wirklich nur der Name und halt dass im Ausweis jetzt noch nicht „deutsch“ steht.

Genau, meine Geschwister sind auch hier geboren.

Waren das eher deutsche Vermieter deinem Eindruck nach, die dich diskriminiert oder rassistisch behandelt haben bei der Wohnungssuche, also vom Namen sieht man ja manchmal „Müller“, „Krause“, und wie sie alle heißen, oder war das tatsächlich unterschiedlich?

Es waren ich denke mal 80% Deutsche und sonst halt immer nur Vermieter die ihren Namen anonymisiert hatten, da konnte ich es jetzt nicht identifizieren.

Wie hast du da dann reagiert, bist du nochmal auf die zugegangen, hast du es nochmal thematisiert mit den Vermietern?

Also ich habe es sein lassen, weil ich mir denke, man kann niemanden zwingen. […] Was ich auch gemerkt habe: Erst neulich hatten wir eine Wohnungsbesichtigung in Aldingen, etwas weiter weg, und da war der Vermieter Türke und wir waren direkt auf einer Linie. Also er hätte uns die Wohnung sofort gegeben ohne lange zu überlegen, aber da war das Problem, dass es für meine Geschwister dann zu umständlich gewesen wäre alles zu erreichen, also Arbeit, Schule und so weiter. Genau, das war dann das Problem, aber eben mit Türken oder anderen Nicht-Deutschen sag ich jetzt mal, ist es gar kein Problem. Da ist man direkt auf einer Wellenlänge und das passt alles.

[…]

Und was ich auch gemerkt habe: Mein Name klingt halt für manche italienisch. Und wenn wir dann die italienische Familie waren, dann waren wir erwünscht. Und wenn dann bei der Besichtigung gefragt wurde, ja woher sind Sie, Italien, gell? Nee wir sind aus dem Kosovo. Kosovo?! Dann wurde schon direkt grimmig gekuckt.

Was auch sehr oft gefragt wird: „Wie lange leben Sie schon in Deutschland, Sie sprechen so gut Deutsch?“ Und dann sage ich immer: „Warum?“ „Ja des ist so toll, so toll, so toll“. Ja irgendwo ist es schon auch ein Kompliment, aber ich frage mich dann immer, warum fragt man mich das? Wegen der Hautfarbe, wegen den Haaren? Also irgendwo nervt es dann einen wieder. Und man weiß halt, die machen sich darüber Gedanken, über die Herkunft. Gestern zum Beispiel hatten wir eine Situation, da hatte ich auch eine Bewerbung gemacht für eine Wohnung, und da hat mich eine Frau – das war auch nicht böse gemeint, das verstehe ich auch – die hat mich gefragt, ja sind Sie jetzt erst hergezogen mit Ihrer Familie, oder warum suchen Sie eine Wohnung? Und ich habe gesagt, nee wir leben schon über 20 Jahre in Rottweil. Achso? Ja so sehen Sie aber nicht aus! Und ich sagte: Okay… Und dann musste ich erstmal schlucken. „Wie sieht denn eine typische Rottweilerin aus?“ hätte ich fragen sollen. Aber ich habe es dann auch gelassen.

Ja und was dann auch das Nächste war: Sprechen Sie schwäbisch? Also ich sage dann immer: Ich verstehe schwäbisch, aber ich spreche leider keines. Es reicht nicht nur Deutsch, sondern man muss auch noch schwäbisch können.

Du hast glaube ich auch schonmal erzählt, dass du mal einen anderen Namen angeben hattest, oder nur dein Namenskürzel – also nicht deinen vollen Namen. Hat es dann besser funktioniert? Hast du dann eher Einladungen auch bekommen zu Wohnungsbesichtigungen, also wenn du nicht geschrieben hast, (Name der Interviewten Person), sondern nur deinen Vornamen, der ja sich ja ein bisschen „deutscher“ vielleicht anhört?

Ja also meine Kürzel habe ich mal verwendet und dann wollten die direkt wissen, wie denn mein Nachname ist. Und der war halt nicht Müller (lacht). Ich hatte auch mal ein Telefongespräch und da hatte ich 3x ausführlich meinen Namen gesagt und am Ende hieß es dann: „Genau Frau Müller“. Und ich so: „Nee ich heiße (…)“. „Ah ja stimmt, okay Entschuldigung. Kann nicht jeder Müller heißen.“

Mich würde jetzt noch interessieren, ob du auch schon Erfahrungen gemacht hast, dass andere mitbekommen haben, wie du behandelt wurdest und sich auch für dich eingesetzt haben, ist das auch schon vorgekommen?

Hm, da muss ich lange überlegen.

Okay, also ist es eher die Ausnahme?

Eigentlich bin ich dann eher diejenige, die sich einsetzt, wenn ich sowas mitbekomme. Tatsächlich für mich, mir fällt da jetzt keine Situation ein.

Wie würdest du jetzt vorgehen wollen, oder was würdest du dir wünschen, dass das Thema tatsächlich aus den Köpfen der Menschen verschwindet, also diese Diskriminierung, die ja scheinbar selbstverständlich auch ist – oder was würdest du sagen, was könnte man noch tun, dass der Rassismus auch abnimmt?

Also einerseits denke ich, wird das leider immer so sein, das kriegt man aus den Köpfen nicht raus, das wurde jetzt schon zu oft bestätigt; aber irgendwo denke ich, man muss sich auch einfach mehr trauen. Mehr trauen, etwas Neues kennen zu lernen[…].

Denkst du, es würde helfen, Vorurteile abzubauen, wenn man da noch in der Schule viel mehr macht; ich weiß nicht du bist ja noch nicht ganz so lange mit der Schule fertig – wie war das für dich, habt ihr das im Unterricht auch ab und zu mal thematisiert, das Thema Rassismus und Herkunft, dass sich dadurch auch was verändert bei den Jüngeren?

Also in der Schule hatten wir das kaum, vielleicht hat man in der Pause in den Grüppchen eher so darüber gesprochen, aber so von den Lehrern her wurde es leider gar nicht thematisiert. Ich merke aber, die Schüler sind gar nicht so oder die Teenager, sondern das ist eher noch die „alte Generation“ die so denkt.

Das sind eher die Älteren, die da Vorurteile haben?

Ja. Ich sehe auch oft, dass Teenager sich da auch engagieren und gegen Rassismus kämpfen, was ich auch sehr toll finde, aber von der alten Generation kommt da wenig.

Was nimmst du da wahr bei den Jüngeren, ist da viel auf Social Media, wo sich viele auch einsetzen und dagegen aussprechen, bekommst du da was mit?

Also ich fand das sehr toll bei „Black Lives Matter“, in Bezug auf George Floyd, da hat man den Aufstand gesehen, da gab es Demos, überall. Aber eben nur von Jüngeren.

Und hast du da eine Idee, wie man da bei den Älteren vielleicht noch ein Umdenken bewirken könnte, dass diese Vorurteile abnehmen? Denkst du, es würde vielleicht helfen, wenn die mehr diese Kulturen kennenlernen, also mehr Begegnung stattfindet zwischen den Kulturen, dass die da ihre Ängste und Vorurteile abbauen, denkst du das könnte helfen?

Also auf jeden Fall mehr Begegnung, und was ich vielleicht auch gedacht hab, die Älteren die auf sich alleine gestellt sind, denen könnten wir „Leute mit Migrationshintergrund“ auch mal irgendwo helfen und dadurch die Begegnung schaffen. Vielleicht als Nachbarschaftshilfe, so dass da mal ein bisschen mehr Kontakt zustande kommt.

Falls jemand die Familie unterstützen kann bei der Wohnungssuche oder selbst privaten Wohnraum hat den er anbieten möchte, kann er sich gerne mit der Fachstelle Integration in Verbindung setzen unter der Telefonnummer: 0741-494-351

Interview 2 mit einer Schülerin aus dem Irak

Also erstmal vielen herzlichen Dank, dass du heute da bist, das freut mich sehr, dass du dir die Zeit dafür nimmst. Und ja ich muss dich jetzt erst am Anfang fragen, dass du auch wirklich einverstanden bist, dass wir dieses Interview heute gemeinsam durchführen und dass ich das auch aufnehme, ist das okay für dich?

Ja, es ist okay.

Bist du auch einverstanden, dass das gespeichert wird, für die Zeit des Projektes, dass ich das später auch verschriftliche, und mit deinem Einverständnis, wenn alles okay ist auf unserer Homepage veröffentliche?

Ja, okay.

Ist auch okay, für dich? Super vielen Dank. Wir würden dann später im Anschluss noch klären, wie wir das veröffentlichen, also ob komplett anonym, oder nur mit deinem Kürzel, Anfangsbuchstabe, Herkunft, das besprechen wir dann im Anschluss noch.

Ich würde jetzt dich einfach erstmal fragen – also wir hatten das ja auch vorher schon besprochen oder du weißt ach schon ein bisschen Bescheid worum es geht – nächste Woche ist der internationale Tag gegen Rassismus und du hast auch schon angedeutet, dass es für dich ein wichtiges Thema ist, magst du vielleicht kurz erzählen, was du mit Rassismus verbindest?

Also Rassismus ist heutzutage leider…, es kommt öfters vor, wegen Hautfarbe, Kleidung, Haarfarbe und so weiter, und das ist halt eine wichtige Sache, weil ganz viele die haben einfach psychische Probleme, wenn die sowas hören. Manche bringen sich halt auch um, weil die denken, ja ich bin halt auch nicht gleich, keiner akzeptiert mich so wie ich bin. Und das ist halt ein Fehler, jeder muss es halt auch checken, weil nicht jeder kann so sein wie die anderen es wollen. Jeder muss halt das machen, was dem da gefällt und was ihn halt einfach auch glücklich macht und aber nicht viele verstehen das. Das ist halt ein Problem.

Okay, also du beobachtest, dass es viel Rassismus gibt, du hast jetzt gerade auch erklärt, was für dich Rassismus ist; was du erzählt hast, hast du das selber auch schon erlebt oder hast du das eher im Freundes- oder Bekanntenkreis auch gesehen?

Ich selber habe es noch nie erlebt, aber von Freunden und so habe ich schon erlebt wegen Hautfarbe und so schon, die hatten auch Probleme.

Magst du da mal erzählen, was du da so mitgekriegt hast? Hast du da eine Erinnerung oder was ganz konkretes wo d sagst, ja das ist mir im Gedächtnis geblieben?

Tatsächlich… ich habe einen Freund der ist dunkelhäutig und der wird schon manchmal wegen seiner Hautfarbe ausgelacht und beleidigt und der traut sich halt auch nicht so viele Sachen zu tun, weil der denkt, der ist anders halt als andere Menschen. Und das stimmt doch gar nicht! Ich meine, jeder Mensch ist gleich, also Aussehen natürlich nicht, aber jeder hat halt auch Füße, Beine, Hände und so. Schon schwierig…

Warst du dann auch dabei, als das passiert ist, oder hast du das aus Erzählungen gehört?

Also ich war dabei, ich war halt auch dabei wo der ausgelacht wurde.

Und wie hast du da reagiert, oder wie habt ihr beide da reagiert?

Tatsächlich ich war da nicht alleine und ich habe da auch was dazu gesagt: „Jeder Mensch ist halt auch gleich und keiner kann entscheiden, wie er aussieht, also die Hautfarbe und Herkunft und so. Keiner kann das selber entscheiden. Jeder kommt halt auf die Welt wie er ist.

Und von wem ging das aus, waren das Deutsche die da rassistisch auch beleidigt haben, oder war das der da deinen Freund auch beleidigt oder diskriminiert hat?

Eigentlich keine Deutschen, aber das waren halt schon auch Ausländer, aus anderen Städten.

Und hast du noch andere Situationen auch erlebt oder davon gehört von deinen Freunden oder Verwandten?

Ich habe gehört und ich habe von andere auch schon mitbekommen, aber manche haben auch schon ihr Leben verloren dadurch und das ist halt schon ein bisschen schwierig, darüber zu reden.

Ja okay das glaube ich, das verstehe ich.  Was denkst du denn, was könnte man denn da tun oder wie könnte man denn da unterstützen, dass so etwas nicht mehr so oft passiert?

Also auf jeden Fall man muss schon denen einreden, denen verstehen lassen, dass die halt auch gleich sind, also alle gleich sind so wie andere Menschen. Dass sie halt auch das Recht haben, das zu tun was sie wollen. Keinen interessiert es. Also ich meine doch es ist ja für den und nicht für den anderen. Der soll das tun, was den da glücklich macht. Aber manche trauen sich nicht. Und das ist halt ein Problem.

Macht ihr das in der Schule auch manchmal zum Thema, dass sowas passiert? Also könnt ihr auch mit Lehrern darüber sprechen? Oder ist das in der Schule gar kein Thema, oder nicht oft?

Doch, wenn sowas vorkommt, dann könnte ich schon mit Lehrern und reden aber nicht jeder tut es. Die können es selber entscheiden. Manche sagen es halt auch deren Eltern nicht, und die nehmen es sich einfach zu Herzen, und ja.

Denkst du, es würde helfen, wenn man vielleicht im Internet da auch mehr dagegen macht? Also sich gegen Rassismus auch sich positioniert und sagt das ist nicht okay, das geht nicht?

Ja schon. Das würde auch was bringen, weil heutzutage ist jeder auf Social Media und das könnte schon ein bisschen helfen… Aber durch dieses Internet haben manche auch viele Probleme, die denken sie müssen halt auch so wie andere aussehen. Ich meine, auf TikTok ist alles fake, also mit Filtern. Das ist halt auch was anderes, aber…

Also auch dadurch entsteht Rassismus sagst du, ja, durch diese Social Meda-Kanäle, dass jeder perfekt sein muss und man hat so ein Idealbild und dadurch werden andere noch mehr diskriminiert?

Ja, also manche, ganz viele wurden auch so gehated wegen ihres Aussehen auf TikTok, „Wieso machst du TikTok überhaupt? Kuck doch mal wie du aussiehst“.

Kam das auch besonders vor, wenn jemand eine andere Hautfarbe hatte, dass da tatsächlich mehr negative Kommentare auch kamen?

Nicht immer. Also schon ab und zu aber nicht immer. Auch weiße, die wurden schon gehänselt, nicht nur schwarze.

Rassismus kommt jetzt ganz oft auch vor, dass zum Beispiel wegen der Ukraine auch Russen besonders diskriminiert werden, vorher während Corona wurden zum Beispiel auch Asiaten diskriminiert, vielleicht hast du das auch mitgekriegt an der Schule, dass die ausgegrenzt wurden oder beschimpft wurden. Ähm ja, es kommt jetzt sogar vor, dass Geflüchtete aus der Ukraine selber diskriminiert werden, die eine andere Hautfarbe haben, wo gesagt wird „du bist ja gar kein Urkainer“ und die weißen Ukrainer die werden besser behandelt, das passiert ja jetzt auch gerade was sind denn deine Gedanken zu der ganzen Situation auch, belastet dich das?

Schon, weil ich hab halt auch Freunde, ich kenn die aus Russland und die wurden schon so beleidigt, gemobbt und die schicken halt auch Briefe an deren Familien und so: „Scheiß Russen, haut ab“, „geht zurück“.

Ja aber ich meine, kein Kind hat damit was zu tun. Die können nicht entscheiden was passiert. Aber die denken halt das wäre halt deren Schuld. Aber die können halt nichts dafür. Und ich meine, die haben halt auch selber Familien, die werden schon auch umgebracht. Aber ich mein, jeder denkt halt schon an seine, was mit denen so passiert aber was mit den anderen passiert, da denken die nicht daran. Also man muss schon auch schauen, was mit sich selber und seiner Familie passiert, aber andere gibt es auch auf dieser Welt, ich mein man ist nicht alleine. Und jeder geht halt anders damit um. Ich mein… zum Beispiel… ich kenne auch jemanden der hat auch schon einen Brief bekommen ein paar, ich weiß nicht von welchen aber ich glaube Nachbarn und der war Russe und die haben ihn dann beleidigt und ich glaube der wurde auch geschlagen, weil der hatte am nächsten Tag blaue Augen …

Das hast du selber auch gesehen? Das ist hier in Rottweil passiert?

Ja, der ist bei mir in meiner Klasse. Aber der ist nicht drauf eingegangen.

Ja vielen Dank dafür! Möchtest du noch irgendwas ergänzen, zu dem was wir bis jetzt besprochen haben?

Nicht wirklich. Ich kann nur sagen: Hört auf andere Kinder zu mobben, also die haben wirklich gar nichts mit diesem Krieg. Hautfarbe genauso, Herkunft – die können einfach nicht entscheiden und passt lieber halt auf, was ihr sagt. Jeder geht halt anders mit Gefühlen um und Wörtern und manche verletzt da wirklich und manche vielleicht auch nicht, aber manche zeigen es halt auch nicht aber wenn die zuhause alleine sind, dann schon machen die Sachen die ein bisschen gefährlich sind. Nicht jeder versteht das also das könnte genauso mit euch passieren. Deswegen hört bitte auf, andere zu mobben und runter zu machen. Wir können nichts dafür.

Interview 3 mit einer weiteren Schülerin aus dem Irak

Also erst nochmal vielen Dank, dass du heute hier bist, dass du dich bereit erklärt hast das zu machen, ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit nimmst und ich würde dich jetzt erst einmal fragen: Bist du einverstanden, dass wir dieses Interview gemeinsam machen, bist du einverstanden, dass ich das auch aufzeichne und speichere? Bist du einverstanden, dass das auf unserer Homepage veröffentlicht wird, nachdem du dir das noch einmal durchgelesen hast?

Ja.

Sehr schön, okay. Vielen Dank dafür, wir würden im Anschluss noch einmal besprechen, wie ich das veröffentlichen darf, anonym und wenn ja, wie anonym? Das würden wir einfach im Anschluss noch einmal besprechen.

Also erstmal am Anfang möchte ich gerne wissen – du hast ja ein bisschen von dem Thema auch schon mitbekommen – was für dich Rassismus ist, oder was für dich Rassismus bedeutet, was verstehst du darunter?

Also ich verstehe unter Rassismus, jemand wird diskriminiert, aufgrund seiner Hautfarbe, Herkunft oder Religion.

Okay, und hast du das selbst auch schon erlebt oder mitbekommen – entweder bei dir selbst oder bei anderen?

Also selber habe ich das jetzt tatsächlich noch nie erlebt, außer jetzt komische Blicke manchmal von Leuten, wo man wirklich denkt so ja die kucken mich jetzt an, weil ich ein bisschen brauner bin oder so. Aber ich habe auch im Internet sehr viel mitbekommen wegen vor allem jetzt schwarze Leute haben es sehr schwer und die trifft es am Meisten, ja.

Okay, was bekommst du denn da so mit, magst du mal eine Situation beschreiben, wo dir aufgefallen ist?

Zum Beispiel das war noch 2020 oder 2019, das mit Georg Floyd, der wurde ja umgebracht aufgrund seiner Hautfarbe, und da gab es auch so Demonstrationen gegen Rassismus und so. Das hat man dann einfach mitgekriegt und täglich sieht man ja auch irgendwelche Videos auf TikTok, wo manche Leute diskriminiert werden, meistens sind das so dunkelhäutige Leute, aber sehr oft auch Muslime, die Kopftuch tragen oder so.

Und du schaust dir das auch an tatsächlich, häufiger?

Ja, das ist auf der Plattform TikTok.

Ja, und kuckst du dir das jetzt öfter an, weil viele würden jetzt sagen, das Video schaue ich mir jetzt lieber nicht an, das schalte ich weg – kuckst du dir das an, weil dich das Thema auch selber interessiert, weil dir das wichtig ist?

Das interessiert mich tatsächlich so und was jetzt heutzutage so los ist, weil eigentlich sollte es keinen Rassismus mehr geben. Jeder Mensch mit einem klaren Verstand sollte wissen, dass wir alle Menschen sind. Keiner kann für seine Hautfarbe etwas oder Religion. Und ich finde das wirklich interessant, dass manche Menschen wirklich noch so zurückgeblieben sind und meinen, sie müssen andere Menschen damit fertig machen. Oder was zurzeit zum Beispiel abgeht so: Viele Russen werden jetzt auch diskriminiert, nur weil Putin jetzt irgendwas macht. Die anderen Leute können ja dafür nichts.

Und hast du dies selber jetzt auch hier in Rottweil erlebt dass so etwas passiert, zum Beispiel in deiner Klasse oder in deinem Umfeld? Oder siehst du das auch eher auf Social Media?

Also Social Media ist es am Meisten, wo ich das sehe. Aber ich habe auch tatsächlich in meiner Klasse ein schwarzes Mädchen und die wird auch manchmal diskriminiert und so.

Okay, das bekommst du tatsächlich auch mit?

Ja.

Wie reagierst du da, wenn so etwas passiert?

Also ich habe jetzt ein paar so Jüngere in meiner Klasse, ein paar sind Älter als ich und das Mädchen ist halt eher erst 15 und dann manchmal die machen Witze: „Traves Scott“, das ist ein schwarzamerikanischer Rapper. Und dann sage ich schon so zu denen: „Hört mal auf.“ Oder die sagen manchmal was über ihre Figur oder ihre Afro-Haare. Aber die tun das halt nicht so direkt der Person sagen, sondern eher hinter ihrem Rücken. Und das ist schon so, dass wenn ich das mitbekomme, dass ich dann sage: „Hört auf damit, das ist nicht lustig, sie kann nichts dafür.“

Okay sehr cool, also du setzt dich für sie tatsächlich auch ein, du traust dich da, dann dagegen anzugehen?

Natürlich, ja (schmunzelt). Vor allem weil sie ist jünger als ich und ich weiß, sie hat diesen Mut dazu nicht, irgendwas zu sagen. Und wenn ich das habe, natürlich setze ich mich dann dafür ein.

Okay, und bist du da die Einzige? Bekommst du da Unterstützung auch von anderen?

Also es ist jetzt nicht so dass ich immer die Einzige bin, es gibt Leute in meiner Klasse, die sagen auch ab und zu „hört auf, das ist doch nicht lustig“ aber es ist wirklich so, diese Kommentare kommen immer so von den kleineren Mitschülern von mir, die wirklich auch erst 15 oder 16 Jahre alt sind und die sind erst noch in der Pubertät und manchmal sagen die halt sowas, aber es gibt auch solche, die  in meinem Alter sind und sich dafür auch einsetzen und sagen „das geht nicht“.

Und wie reagieren die dann wenn ihr euch dann auch wehr und sagt, das ist nicht in Ordnung, wird das von den anderen auch angenommen und respektiert?

Ja die meisten sagen dann, wir machen doch nur Spaß, aber die verstehen damit halt selber die Tragweite ihrer Äußerungen nicht. Ich sag zu denen so oft, dass sie gar nicht merken, dass sie anderer Leute Gefühle damit verletzen. Manchmal kucken die, also meine Mitschülerin manchmal so komisch an, wo ich mich sogar ein bisschen komisch fühle, weil ich bin selber nicht weiß und bei mir ist es halt so, dass keiner was zu mir sagt. Also bis jetzt außer Blicke habe ich bis jetzt noch nie einen Kommentar bekommen oder so. Aber, wenn ich das sehe, ich bin jetzt keine Schwarze aber trotzdem fühle ich mich dann auch ein bisschen diskriminiert, wenn die dann sowas sagen weil ich gehöre auch nicht zu den Weißen jetzt. Ich gehöre auch nicht zu den ganz Schwarzen, aber, wenn ich das mitbekomme, dass ich mich einsetzen kann, dann setze ich mich immer gerne ein.

Aber trotzdem fühlst du dich selber auch ein bisschen betroffen auch in der Hinsicht?

Ja.

Okay. […] Denkst du, dass wenn du das machst, dass das auch wirklich anderen hilft, dass sich da was ändert auch in den Köpfen, wenn du auch dagegen angehst?

Ja also ich glaube jetzt immer, wenn jetzt zum Beispiel ältere Leute etwas Diskriminierendes sagen. Also ich glaube jetzt nicht, dass irgendjemand mit 20 Jahren immer noch Kommentare zu schwarzen Leuten sagt oder sowas. Aber ich meine halt so, wenn es Leute sind, die solche Kommentare wirklich abgeben, jemanden runtermachen. Wenn die jünger sind und jetzt jemand älter ist, also zum Beispiel ich älter bin als die Leute die sowas immer machen, und wenn man zu denen sagt „hört auf ihr versteht das nicht, denkt bitte, dass ihr damit jemanden verletzt“, dann tun die das glaube ich schon ein bisschen verstehen und dann machen die das auch nicht mehr so häufig. Natürlich, die hören damit dann nicht auf, aber dann die denken tatsächlich glaube ich schon drüber nach und denken, ja was haben sie jetzt gemacht.

Okay, also du denkst, es könnte was helfen, wenn man da immer wieder auch drauf hinweist?

Ja das glaube ich tatsächlich.

Hast du vielleicht auch selber in der Familie schonmal erlebt, dass ihr diskriminiert wurdet, weil ihr vielleicht nicht alle perfekt deutsch könnt oder ja, dass ihr gefragt wurdet oder drauf angesprochen wurdet, oder auf euren Glauben auch hingewiesen wurdet? Gab es da mal Situationen?

Also es kann bestimmt sein, deswegen vielleicht eine von meinen Schwestern. Also eine von meinen Schwestern die arbeitet jetzt beim Arzt und da erzählt sie mir auch manchmal, dass sie auch diskriminiert wird oder nicht diskriminiert aber einfach wenn zum Beispiel so wenn Leute kommen und dann sagen sie: „Ja, du kommst doch aus dem Süden?“ Ja, die sprechen sie halt so drauf an und die meisten wollen halt so nicht drauf angesprochen werden. Zurzeit ist ja immer noch Krieg und so alles und die meisten wollen wirklich nicht drauf angesprochen werden und es gibt halt sehr viele, die das dann aussprechen. Für sie ist das auch nicht so schön.

Was denkst du, würde denn noch helfen, dass solche Situationen nicht mehr vorkommen, dass es weniger wird und dass andere auch verstehen, was das bedeutet, wenn man so was macht? Hast du da noch Ideen?

Was meinst du?

Also zum Beispiel dass man auf Social Media da auch mehr dagegen vorgeht, also grade wenn jetzt solche Videos auch gepostet werden, dass man sich klar dagegen positioniert, dass das was bringen könnte? Oder dass man das in der Schule auch häufiger thematisiert, dass das nicht in Ordnung ist, denkst du, solche Sachen würden vielleicht helfen?

Ja also ich denke, also ich glaube die meisten Jugendlichen oder jeder hat heutzutage schon ein Handy und da kriegt man eigentlich schon so von Social Media von den Nachrichten alles so mit, dass sehr viele auch so aufstehen gegen Rassismus und sagen, das geht so nicht weiter. Viele machen auch Videos und äußern sich gegen Rassismus, was sie erlebt haben und so mit ihren eigenen Erfahrungen und ich finde, das hilft tatsächlich. Die Leute hören auf, vor allem mit Cybermobbing. Manche tun auch andere im Internet einfach fertig machen für deren Hautfarbe obwohl die dafür nix können und die können einen dann schon eigentlich verletzen und das hat eigentlich auch so aufgehört, langsam. Also es hat nicht komplett aufgehört, aber es wird weniger.

Es ist besser geworden?

Ja.

Okay, möchtest du vielleicht noch etwas ergänzen, was wir jetzt noch nicht besprochen haben?

Ähm ja, vielleicht dass man einfach, also es geht jetzt einfach an die Jugendlichen, dass, wenn man die Person nicht kennt, und dass man einfach nicht so direkt urteilen soll oder einfach ihn so beleidigen soll oder so weil keiner kann wirklich für deren Hautfarbe so was dafür, keiner kann für Religion einfach nichts so. Man sollte sowas lassen.

Weitere Erfahrungen, Zitate und Eindrücke

“Bei meiner Mittagspause saß ich im Park um mein Mittagessen zu genießen. Auf einmal kam eine Nonne auf mich zu und begann mich über meine Herkunft auszufragen. Sie war überrascht wie gut ich Deutsch spreche.” – P.H. – in Kenia geboren und in Deutschland aufgewachsen.

“Bei meiner Mittagspause im Park, kommt ein älterer Mann auf mich zu und gibt sich als Journalist aus. Auf seinem Weg zu mir ging er an ca. fünf weiteren Personen vorbei. Er fragt woher ich komme, warum ich so gut Deutsch sprechen kann, wo ich arbeite und wo ich wohne. Ich beantworte ihm die Fragen und ertappe mich dabei wie ich das Gespräch eigentlich garnicht möchte. Bei der Frage wo ich wohne, wiese ich ihn darauf hin, dass das zu privat ist und breche ich das Gespräch ab. Im Nachhinein weiß ich garnicht, warum ich die ganzen Fragen beantwortet habe. Eine Woche später versucht er nochmal mehr über mich zu erfahren, ich lehne das Gespräch direkt ab” – P.H. – in Kenia geboren und in Deutschland aufgewachsen.

“Ich arbeite in einer Klinik und werde von älteren Patienten immer gelobt wie gut ich Deutsch spreche” – P.H. – in Kenia geboren und in Deutschland aufgewachsen.

“Ich bin vor Jahren mal in den Bus eingestiegen und vor mir sind mehrere Leute eingestiegen, die nicht nach ihrem Fahrschein gefragt wurde. Nur ich wurde gefragt.” – H.S.

“Eine fremde Frau fasst ohne zu fragen meine Haare an. Sie findet, dass sie sich gut anfühlen.” – P.H. – in Kenia geboren und in Deutschland aufgewachsen.

“Ein Vermieter ist ganz angetan, dass ich mich für eine junge Mutter mit zwei Kindern einsetze. Als ich ihm sage, dass sie nicht gut Deutsch spreche und aus Nigeria kommt, antwortet er, dass er nichts mit solchen Menschen zu tun haben will und legt auf” – Mathis Heidger, Migrationsberatung für Erwachsene

“Wenn ich gefragt werde wo ich herkomme, reicht eine Antwort nicht aus.

Es wird nicht akzeptiert, dass ich einfach aus Rottweil komme und hier schon immer gelebt habe” – Anonym

“Ich werde oft geduzt wo andere gesietzt werden” – Anonym

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