Dieter E. Albrecht über die Ergebnisse des Aktionskreis zum Thema “Flüchtlingszustrom – Asyl in Rottweil Stadt und Landkreis”

“Mit einem schwierigen Thema gut umgegangen! Tolle Veranstaltung“, so Dipl. Ing. und Handwerksmeister Hermann Breucha. Dr.-Ing. Peter Schellenberg dazu: “Die Stadt und der Landkreis haben einen gemeinsamen Plan. Diese Erkenntnis war für mich wichtig!“.

Meine Meinung: “Interessierte und kritische Besucher wurden von zwei offenen und souveränen Kommunal-Chefs positiv überrascht. Der Aktionskreis war von ausgesprochen sachlicher Diskussion und offenen Beiträgen geprägt.”.

Neben allen sieben FWV-Stadträten waren: der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Kreistag Thomas J. Engeser, der Freie Wähler Ortsvorsteher von Göllsdorf Wolfgang Dreher, selbstverständlich die Hauptredner Landrat und OB sowie ca. 40 weitere Gäste aktiv dabei.

Ich werde im weiteren keinen Artikel schreiben, sondern einfach die Stellungnahmen auflisten, mit dem Versuch diese halbwegs zu ordnen.

Hier die Aussagen und Antworten von Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel und Oberbürgermeister Ralf Bross, aus deren Eingangsstatement und zum Fragekatalog – siehe https://www.facebook.com/download/1893014480924372/FragenAktionskreis.pdf – erstellt aus eingegangenen Fragen von 9 Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises (ohne Priorisierung oder tatsächliche Reihenfolge):

Landrat:

“Derzeit werden dem Landkreis Rottweil 265 Flüchtlinge pro Monat zugeteilt (Stand Oktober 2015). Wenn das so weiter geht, könnten es Ende 2016 ca. 5.000 im Landkreis sein. Das würde dann ca. 4 % der Bevölkerung entsprechen.”.

“Wir suchen ständig umnutzungsfähige Gewerbebrachen und leerstehende Wohnungen … diese können unter www.integration-rottweil.de gemeldet werden.”.

“Ich schliesse für die nächsten Wochen Hallenbelegungen im Landkreis aus.”.

“Der Landkreis ist in der gesetzlichen Pflicht Asylbewerber unterzubringen bzw. Obdachlosigkeit zu vermeiden und muss sich zuerst an das eigene Eigentum halten. Deshalb wird in die Kreissporthalle vorsorglich eine Kochgelegenheit und, keine teure Küche eingerichtet.”.

Wenn wir nicht ausreichend genug Unterbringungsmöglichkeiten angeboten bekommen, reichen die beiden Kreissporthallen ebenfalls nur fünf bis sechs Wochen, da dort lediglich ca. 300 bis 350 Menschen untergebracht werden können. Danach geht es möglicherweise kaskadenartig weiter.”.

“In der Güterabwägung Obdachlosigkeit oder Schulsport/Vereinsleben, muss Obdachlosigkeit vermieden werden.”.

“Objekte können nicht so einfach beschlagnahmt werden. Eigentum ist ein hohes Gut. Bevor nicht der Nachweis erfolgt, dass der Landkreis alles ausgeschöpft hat und gar keine andere Möglichkeit mehr hat, sind Beschlagnahmen nicht möglich. Dies gilt auch für das alte Krankenhaus in Schramberg.”.

“Das mit dem Eigentum gilt auch für die Hallen der Gemeinden. Solange uns die Gemeinden nicht solidarisch ihre Sport- und Festhallen oder andere Einrichtungen anbieten, haben wird als Landratsamt keinen Zugriff darauf.”.

“Als Landrat kann ich die Kommunen nicht zwingen, ehe ich nicht alle Möglichkeiten des Landkreises erschöpft habe.”. (Anmerkung; ob dies nun logisch und zweckmässig ist oder nicht.)

“Angebote eigener Hallen von Gemeinden, Ortvorstehern und Bürgermeistern würde tatsächlich keine Sogwirkung erzeugen, die Zuteilung bliebe unverändert.”.

“Kämen Angebote der Gemeinden, kommen wir ggf. um die Verlegung des Schulsports herum.”. (Anmerkung; manchen ist mit Nichtwissen unterstellt wohl wichtiger, dass exemplarisch der Fasnets- und Bürgerball sowie die Gymnastikgruppe ungestört stattfinden kann, statt dass der Schulsport reibungslos funktioniert!?)

“Wir hoffen auf die Solidarität der Gemeinden. Ich will aber die Gemeinden nicht nennen, welche ihren Verteilungsschlüssel nicht erfüllt haben. Wir sind aber regelmässig im Gespräch. Diese Gemeinden werden von mir und Herrn Hamann besonders gepflegt.”.

“Der Landkreis hat keine eigenen Wohnungen. Unser Anteil an der Kreisbaugenossenschaft beträgt gerade mal 750,– €.”.

“Zusätzliche Duschen und Toiletten an Einrichtungen wie z. B. Hallen hängen von der Belegungsdichte ab.”.

“Zu bedenken ist auch die mittelfristige Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen. Dazu fehlen laut Städtetag und Architektenkammer derzeit ca. 400.000 Wohnungen in Deutschland bzw. ca. 60.000 in Baden-Württemberg.”.

“Ein gegeneinander Ausspielen von sozial schwachen Menschen darf es nicht geben.”.

“Es wird sich bzgl. des Wohnungsmarktes direkt nichts für unsere ärmere Bevölkerung verschlechtern. Der Bestand ist derzeit ausreichend. Es wird aber mittelfristig die Nachfrage an günstigen Wohnungen steigen. Dies wird eine grosse Aufgabe sein die Menschen endgültig unterzubringen. Dazu haben wir maximal 1,5 bis 2 Jahre Zeit dies zu bewältigen. Wir sind zuversichtlich, dass hier Bund und Land einiges tun. Es muss vor allem finanziell was kommen.”.

“Wir erhalten derzeit vom Land für die Aufgaben pro Flüchtling für 18 Monate pauschal 13.260,– €. Es scheint so zu sein, sollte das nicht ausreichen, dass alle Kosten vom Land erstattet werden. Diesbzgl. sind wir über die kommunalen Spitzenverbände mit dem Land ständig in Verhandlungen.”.

“Bei 2,8 % Arbeitslosigkeit im Landkreis, sollten Flüchtlinge eine gute Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.”.

“Aus Angaben der Agentur für Arbeit und der OECD ist allerdings zu entnehmen, dass nur 5 % der Asylbewerber kurzfristig nach einem Deutschkurs tauglich für den Arbeitsmarkt sind. Mittelfristig seinen es ca. 50 %. Bei einem Drittel ist davon auszugehen, dass diese längerfristig von Transferleistungen abhängig sein werden.”.

(I.) Zum Thema Deutschkurse, welches sehr intensiv diskutiert wurde: “Bei Flüchtlingen mit Bleibeperspektive geht es relativ schnell, wir haben aber Kapazitätsengpässe.”. Daraufhin ging eine längere Diskussion im Saal los. Die einen meinten, es dürfe nur Deutsch unterrichtet werden, wenn dies von ausgebildeten Pädagogen geschieht, mit dem Studien- oder Lehrgang “Deutsch als Fremdsprache.”. Hier regte sich dann Protest vor allem von Besuchern mit offensichtlich türkischen und griechischen Wurzeln. Diese Ausländer (ich nenne Sie zur Verdeutlichung nun so, obwohl ich davon ausgehe, dass einige deutsche Staatsbürger sind) forderten mehr Deutsch für die Asylbewerber. Eindringlich forderten sie, nicht erst zu warten, bis irgend wann mal genug ausgebildete Pädagogen bereit stünden, sondern regten an, Flüchtlinge selbst zu Deutschausbildern und Dolmetschern zu befähigen. Die Deutschen im Saal versuchten immer dagegen zu halten, dass dies nicht funktionieren würden. Dem widersprachen die Ausländer vehement, teils aus eigener Erfahrung.

(II.) Auf die Frage: “Werden den Asylanten in deren Landessprache Regeln ausgehändigt, wie sie sich in unserem Kulturkreis zu verhalten haben, wiesen die anwesenden Vertreter vom Landkreis und Stadt sowie vom Freundeskreis Asyl Rottweil Christoph Frank auf ein Bilderheftchen und einen geschickten Kartenfächer hin. Diese beiden Hilfsmittel sind hervorragend aufgebaut und vermitteln tatsächlich eine gute und schnelle Übersicht über unsere Gewohnheiten, unsere Rechtssystem, Essen, Kultur, Freizeit, Feste, Feiertage und vieles mehr. Man war sich einig, diese Hilfsmittel aus der Stadt Ravensburg auch hier in Rottweil direkt zu übernehmen. Interessant daran ist, dass der Herausgeber beider “Kingges” der Türkischer Akademiker-Verein in Ravensburg e.V. ist-

Zu (I. und II.); Diese beiden Themen bzw. Absätze zeigen auf, dass wir ggf. viel öfters die Hilfe und den Rat unserer Ausländischen Mitbürger oder Deutsche mit Migrationshintergrund annehmen sollten. Deren Blickwinkel ist gerade für die Hilfe und Integration von Asylsuchenden möglicherweise sinnvoller, als der aus unserer Deutschen Gründlichkeitsmentalität.

Nun weiter mit den Stellungnahmen des Landrates:

Auf die Frage, “Nehmen anerkannte Asylanten unseren Arbeitskräften die Arbeit weg?”: Man sollte dies nicht gegeneinander ausspielen. Aber wer gut ausgebildet und leistungsfähig ist, findet Arbeit.”.

“Ich bin kein Gefängnisdirektor. In Asylunterkünften gibt es kein Alkoholverbot.” und “Auch für Flüchtlinge gilt das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Deshalb werden Unterkünfte nur Anlass bezogen, wie bei jedem Bürger, auf Waffen kontrolliert.”.

“Wenn wir in den Urlaub in den Nahen Osten fahren, ist die Gefahr sich an bestimmten Krankheiten anzustecken gleich gross. Jeder Asylbewerber wird aber verpflichtend auf seinen Gesundheitszustand und Krankheiten untersucht.”.

“Wir haben nicht genug Mitarbeiter für die Flüchtlingsaufgaben im Landratsamt. Es wären vier Stellen offen, welche wir nicht besetzt bekommen.”.

“Im Landkreis Rottweil braucht es bisher keine Bewachung von Flüchtlingsunterkünften.”.

“Ich habe hier Presseberichte zum Thema dabei, das ist bestimmt ein Zentimeter – wir haben gut informiert.”.

“Vorbild ist der Ortsvorsteher von Sulz-Glatt. Aus Solidarität setzte er in seiner Gemeinde das Recht auf Asyl durch.”.

“Schenkenzell ist ebenfalls vorbildlich im Landkreis. Der Ort nahm X (Zahl nicht richtig gehört) Flüchtlinge auf, das entspricht ca. 4 % der Einwohner von Schenkenzell.”.

“Wir haben eine gesetzliche Pflicht Flüchtlinge aufzunehmen. Ich halten nichts von polemischen, symbolischen Aktion. Allerdings ist die Lange der Landräte im Südosten Bayerns teils dramatisch. Da können man Hilferufe dieser Art eher nachvollziehen.”.

“Deutschkurse für Erwachsene und deren Integration – da müssen wir über die Integrationsbereitschaft sowohl der Asylbewerber aber auch die Annahme von Erwachsenen bei uns in der Bevölkerung sprechen.”.

“Integration heisst auch Anerkennung unserer Gesetzte. Wir haben nicht genügend Personal um alles Regeln zu können.”.

“Ich kann relativ hartnäckig sein, wenn ich etwas erreichen will, z. B. bzgl. der Solidarität aller Gemeinden.”.

“Berlin und Stuttgart wären gut beraten, wenn sie die Ratschläge der kommunalen Spitzenverbände schnell umsetzten würden.”.

Oberbürgermeister von Rottweil:

“Wir kündigen keine Wohnungen für Asylbewerber.”.

“Die Stadt hat ca. 300 Wohnungen. Die übliche Fluktuation beträgt 40 bis 50 Wohnungen im Jahr. Asylbewerber werden nicht bevorzugt bei der Vergabe, können sich aber wie alle auf die Warteliste eintragen.”.

“Pensionen und Hotels sind Privatbetriebe. Diese müssen von sich aus Zimmer anbieten. Wir sind aber als Stadt wie auch die Ortsvorsteher in ihren Gemeinden in vielen Gesprächen.”.

“Wir haben von Seiten der Stadt keine Planung, da sich die Rahmenbedingungen ständig verändern. Aber wir haben eine Strategie: Gespräche mit Wohnungseigentümern, allgemein dafür werben Wohnungen an das Landratsamt zu vermieten und notfalls denken wir an Wohncontainer.”.

“Wir haben das Lokale Bündnis für Integration und Unterbringung der Flüchtlinge gegründet, vor allem um alle Akteure zusammenzubringen.”.

“Die Stadt Rottweil müsste 18 % der Flüchtlinge im Landkreis aufnehmen, hat aber bereits rund 100 Personen über dem Soll. Kommunen, welche ihr Soll noch nicht erreicht haben, sollten sich im Rahmen der Solidarität stärker einsetzen.”.

“Die Stadthalle können wir nicht vorrangig für Flüchtlinge einsetzten, da wir feste Mietverträge abgeschlossen haben, welche zu Schadenersatzforderungen führen würden. Ähnliches gilt für das Spital, welches noch bis Ende 2016 an die Vinzenz von Paul Hospital gGmbH vermietet und von dieser genutzt wird.”.

“Für Obdachlose (ohne Flüchtlings- und Asylhintergrund) hat die Stadt genügend Platz. Es gibt aber viele welche freiwillig im Freien schlafen.”.

“Derzeit hat die Stadt direkte Mehrkosten für Flüchtlingsaufgaben in Höhe einer halben Stelle, dies entspricht 35.000,– €/Jahr.”.

“In drei Schulen, der Konrad-Witz-, der Römer- und der Eichendorffschule, haben wir spezielle Vorbereitungsklassen mit Fachkräften, um Flüchtlingskinder in unsere Schulklassen integrieren zu können. Ich halte es möglicherweise für besser, dies auf einige wenige Schulen zu konzentrieren, da dort Fachkräfte vorhanden sind. Für andere Schulen wären nicht ausreichend Fachkräfte dafür zu finden.”.

“Wir haben eine Sorgentelefon bzw. eine Anlaufstelle, sollte es wider erwarten mit Flüchtlingen Probleme geben. Das ist unser Bürgerbüro im Rathaus. Die Mitarbeiter nehmen die Sorgen, Probleme etc. auf und leiten es an die richtige Stelle weiter.”.

“Ich habe was gegen Tribunale. Sollten wir zu öffentlichen Veranstaltungen gezielt englischsprechende Flüchtlinge einladen und die Veranstaltung zweisprachig abhalten, fürchte ich, dass diese Menschen ausgefragt werden könnten, nach ihren Gründen etc..”.

“Für traumatisierte Menschen aus Kriegsgebieten haben wir in Rottweil eine Spezialklinik. Aber auch die kommen in der Zwischenzeit immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen.”.

“Wir haben keine ausreichende Strukturen bei dieser Flüchtlingswelle. Wir fordern vom Land mehr Mittel und für Schulen, Vorbereitungsstunden und Deutsch mehr Stunden. Wir als Stadt werden dafür sicher genug Räume zur Verfügung stellen.”.

“Wir müssen uns bei der Zuteilung der Schüler an die Schulbezirke halten. Wir haben keine andere Möglichkeit.”.

Ich jedenfalls fand an diesem Abend sowohl den Landrat und den OB klasse. Beide sind den Fragen nicht ausgewichen und haben alles beantworten, was in ihrem kommunalen Einflussbereich steht. Das war eine der besten Veranstaltungen, welche ich im Rahmen des Aktionskreises der Freien Wähler erleben durfte.

Dieter E. Albrecht

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